Geliebt Verjagt Ermordet – Jüdische Künstler und ihre Hits der 20er und 30er Jahre
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Beschreibung
Geliebt – Verjagt – Ermordet
Überlegungen zur vorliegenden CD
Ein makaberer Eingangsgedanke:
Der ahnungslose Nachgeborene könnte den Gesamteindruck, den diese Künstler und diese Musik hervorrufen, leicht für den Sound der Nazizeit halten – wären dies nicht Klänge, die gut und gern aus dem Volksempfänger in Buchheims Boot hätten kommen können, hundert Meter unter der Wasseroberfläche des Atlantik, mitten auf Feindfahrt, mitten im Krieg? Natürlich hätten sie das – hätten die Nationalsozialisten die betreffenden Stars nicht aus wahnhaften rassischen Gründen mit Arbeitsverbot belegt, ausgegrenzt, verfolgt, vertrieben oder umgebracht. Denn zunächst mal klingt diese Musik durch und durch deutsch, in einem ganz unaufgeregten, nicht nationalen Sinn – was daran „jüdisch“ sein soll, erschließt sich vermutlich nur ideologisch verblendeter Scheuklappenwahrnehmung. Besonders witzig, besonders begabt war sie allerdings, und der Judenhass speiste sich ja nicht zuletzt aus Neid. Die unliebsame Konkurrenz wurde mit Erfolg vom Markt entfernt: mit unabsehbar katastrophalen Folgen für die deutsche Unterhaltungskultur.
Ein noch makaberer Zweitgedanke:
Hollywood könnte durchaus einen Hitler-Gedenktag einführen. Kein anderer Bösewicht der Weltgeschichte hat derartig viel Stoff geliefert. Und aufgrund seiner Blutreinheitstheorien und -praxis auch noch das kompetenteste Personal zur Umsetzung eben dieser Stoffe, Menschen, die gar keine andere Wahl hatten, als sich auf der Flucht vor seinen Häschern nach Amerika zu wenden. Nicht alle sind dort glücklich geworden, nicht alle sind aufgrund ihrer Heimatliebe dort innerlich angekommen. Aber wenigstens haben sie überlebt. Nur allzu gerne hätten sie dazu beigetragen, ein Babelsberg so groß wie Hollywood zu machen. Und wer weiß? Vielleicht wäre in einem nicht geistig und moralisch verdunkelten Deutschland Berlin das geworden, was zunächst dem existentialistischen Paris und später dem swingenden London zuteil wurde. Wir deutschen Musiker hatten nichts, woran wir anknüpfen konnten. Uns blieb gar nichts anderes übrig, als uns über den Kanal und transatlantisch zu orientieren. Die Beatles, Bob Dylan und Elvis wären nicht weniger bedeutend gewesen bei anders verlaufener Geschichte. Aber wir hätten vermutlich mehr, was wir Ihnen entgegenhalten könnten.
Heinz Rudolf Kunze, April 2007